Zeitzeichen 2012

Zeitzeichen 2012
Preisträger 2012 "Unternehmen"

Projekt


 Von der Qualifizierungsmaßnahme zum Unternehmen

Unsere heutige interkulturelle Kooperative von sieben selbständigen Unternehmerinnen startete als Arbeitslosenprojekt. Heute liegen dazwischen drei Jahre Fortbildung in dem innovativen und nachhaltigen Berufsfeld Recyclingdesign. Dazu Persönlichskeits- und Verkaufstraining in verschiedenen Coaching-Projekten und eine mehrmonatige Markterprobungsphase in dem Gründerinnen-auf-Probe-Laden "durchbruch" von Gründerinnen-Consult. Vor uns liegt die Planung eines Recycling-Internetportals und eines überregionalen Recyclingdesign-Shops. Es gibt bundesweit Kooperationsangebote von mehreren Selbständigen aus nachhaltigen Berufsfeldern. Recycling liegt im Trend!


Am Anfang stand der  Kultursommer Hainholz 2008 in einem der internationalsten Stadtteile Hannovers mit zwei kleinen kreativen Bildungsprojekten: Einer Fahnenwerkstatt unter der Leitung des Kunstprofessors Neuenhausen und einer Recyclingwerkstatt des gemeinnützigen Trägers WTM. Dazu die Unterstützung des Stadtteilbüros Hainholz und die des JobCenters der Region Hannover.

Die kreative Arbeit begeisterte mehrere arbeitslose Werkstattteilnehmerinnen nachhaltig, und von da an wollten sie ihr Hobby zum Beruf machen. Gleichzeitig suchte der künftige gemeinnützige Träger WTM nach einer Möglichkeit, die ständig anfallenden Gebrauchttextilien aus Haushaltsauflösungen seines Beschäftigungsprojektes sinnvoll zu verwenden. 2009 startete dann nach mehrmonatiger Finanzierungssuche das interkulturelle Projekt „Von der Kleiderkammer zum Unikat“ - als Qualifizierung für zehn langzeitarbeitslose Frauen im Recyclingdesign. Träger wurde der WTM, Finanzierer das JobCenter Region Hannover, zusätzliche Unterstützung kam vom Stadtteilbüro Hannover.

Die nähbegeisterten Teilnehmerinnen der Qualifizierung stammten aus Deutschland, Russland, Polen, Ghana, Iran, Türkei und Vietnam. Sie hatten eine gute Ausbildung aus ihren Ursprungsländern mitgebracht, wurden aber hier als "Ungelernte" eingestuft und mussten sich zuvor als Hilfsarbeiterinnen bewerben. Die meisten waren zudem Mütter und hatten durch ihre familiäre Einbindung wenig Gelegenheit, die deutsche Sprachen zu üben. Das Gelernte aus wenigen Einführungskursen war schnell vergessen worden. So war neben ihrer "fehlenden" Ausbildung eins ihrer größten Vermittlungshemmnisse das Sprachproblem. Für die Migrantinnen war das Recycling-Projekt teilweise der erste Kontakt mit der Arbeitswelt in Deutschland. Und für viele war es befremdlich, gebrauchte Kleidung zu verarbeiten,- leben wir doch in einem Land, in dem wir das finanziell gar nicht nötig haben! Erst nach und nach entdeckten viele Näherinnen, wie sehr sauber gewaschene, gut erhaltene Kleidung zum Experimentieren anregt.

Nebenbei kamen im Fernsehen Berichte über schlimme Arbeitsbedingungen in Textilfabriken in Billiglohnländern. Und so wuchs die Identifikation mit dem Recyclingthema und das Bewusstsein, dass unsere Wegwerfgesellschaft auf der Armut der Menschen aufbaut, die durch Niedrigstlöhne auf der anderen Seite des Globus unsere kleinen Preise erarbeiten.

Zukunftsperspektive
In der Mitte des zweiten Qualfizierungsjahres drängte die Frage nach der Zukunft. Die zwei anleitenden Designerinnen hatten durch die Unterstützung des Stadtteilbüros Hainholz eine kleine ungewöhnliche Kollektion erstellt. Durch einen geförderten Stand auf der INFA 2010 war allen klar geworden: Das Recyclingdesign ist nicht nur preiswert und nachhaltig, es ist auch ein bundesweiter Markttrend. Es gab eine spezielle, sehr interessierte Käuferinnengruppe, die nicht nur das Design liebte, sondern sich auch für die Menschen dahinter interessierte. 


 

Und so wurde das eigentliche offizielle niederschwellige Qualifikationsziel, soziale und fachliche Vermittlungshemmnisse abzubauen, bald von einem viel ehrgeizigeren persönlichen Ziel abgelöst: Einige Frauen wollten das Recyclingdesign zu ihrem Beruf machen und dafür zusammen bleiben.

Das JobCenter blieb wie schon von Beginn an flexibel und fördernd. Auch diese Pläne wurden unterstützt. In einer Art Vor-Ort-Planungsgruppe setzten sich ein Teamleiter, die Quartiersmanagerin aus Hainholz und die Projektleiterin zusammen und legten die Weichen. 


Ein Coachingprojekt ermöglichte, eine Werkstatt zu mieten und das fehlende Know How für die Selbständigkeit zu vermitteln. 



Der Gründerinnen-auf-Probe-Laden "durchbruch" in Hannover-Linden wurde für ein halbes Jahr zum Sprungbrett. Ein bundesweites Netzwerk aus Recyclingsdesignern und Selbständigen mit nachhaltigen Geschäftsideen wird greifbarer. Wir freuen uns, gemeinsam mit Gleichgesinnten, am weiteren "Durchbuch" arbeiten zu können: an dem des Sozialen, des Gemeinsamen, des Gerechten und an lebenswerten Arbeitsbedingungen.